Ein Querschnitt verschiedener Perspektiven auf Comics,
in Comics und durch Comics
u.a. mit den beiden toonpool.com-Zeichnern Schwarwel und Hammel.
Dass Lessing in seinem Laokoon-Aufsatz einst die Vermischung von Literatur und Malerei – und damit das Verquicken der Darstellungen von Zeit und Raum – tabusierte, scheint sowohl unter Comiczeichnern als auch unter eingefleischten Comicfans längst vergessen. Heute lesen wir mit großer Selbstverständlichkeit Comics, ein Medium, das sich genau diesen Gegensatz von Schriftlichkeit und Bildlichkeit zunutze macht und sich als Synthese beider Elemente präsentiert. Doch trotz der gesteigerten öffentlichen Wahrnehmung in den vergangenen Jahren, kommt dem Comic gerade in der akademischen Auseinandersetzung noch immer nicht das Interesse zu, das er verdiente.
Prinzip Synthese: Der Comic, der erste Band der Edition Kritische Ausgabe versammelt Essays, Analysen und Rezensionen von Autorinnen und Autoren, die sich alle im akademischen Umfeld mit diesem Genre auseinandergesetzt haben. Sie sind Lehrende, Studierende und ehemalige Studierende, die das eher seltene Glück hatten, Comics als Gegenstand der universitären Lehre und Forschung zu begegnen. Einige von ihnen haben sich auch in ihrer Abschlussarbeit mit Fragestellungen aus diesem Bereich beschäftigt. Da scheint es nur passend, dass das Cover des Bandes von einer Splashpage aus Schwarwels Graphic Novel Seelenfresser geziert wird, auf der die Figur eine Miniatur der Laokoon-Gruppe in der Faust hält.
Die wissenschaftlichen Essays zeigen in welch vielfältiger Weise Comics den Gegensatz von Schrift und Bild fruchtbar machen. Wie Zeichner das erzählerische Potential des Comics bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausloteten, welche Rolle der nicht-visualisierte Zwischenraum zwischen den Panels einnimmt und dass die gegensätzlichen Zeichen des Comics nicht zwangsläufig in einer Synthese aufgehen müssen, führen die Beiträge des Bandes unter anderem vor Augen.
Im Gespräch mit Zeichnerin Barbara Yelin, die mit ihren Werken auch für die aktuelle Hinwendung des Mediums zum Dokumentarischen und zur Reportage steht, zeigt sich, dass nicht nur die Forschung immer noch mit Vorurteilen zu kämpfen hat. Ähnliches kommt in nicht wenigen der Kurzcomics von jungen sowie von bereits arrivierten deutschen Comiczeichnern und -zeichnerinnen zum Ausdruck, die den Band durchziehen und ein Gegengewicht zur wissenschaftlichen Perspektive bieten. Auch hier ist Schwarwel mit einem Beitrag vertreten, ebenso der Bonner Zeichner Björn Hammel, dessen Kater + Köpcke-Strips sich irgendwo zwischen Selbstreflexivität und Metaebene tummeln und damit ebenso eine wissenschaftliche Perspektive auf das Medium bieten, wie es auch die nicht gezeichneten Beiträge tun. Jeder Text und jeder Comic steht hier für sich, bietet einen individuellen Blickwinkel und doch steht alles im offenen Verbund des Bandes. Es verweist aufeinander, vereint und trennt sich. Verbindungen und Bezüge ergeben sich vor allem dort, wo der Leser sie erkennt: »Prinzip Synthese«.
Verlagslink: http://www.weidle-verlag.de/buch_plus.php?bid=164
© toonpool.com
very good impresion arts!