Do the Stuttmann

[This is a very German interview with German editorial cartoonist Klaus Stuttmann. If you are not familiar with Nena's mother tongue but want to read the interview anyway (and you should be, this is a good one): There's an English version on page 2]

Klaus Stuttmann zeichnet seit 2000 täglich für den Berliner Tagesspiegel, seine Karikaturen erscheinen außerdem in etwa 20 weiteren deutschen Zeitungen. Stuttmann, Jahrgang ’49 und seiner Website zufolge “Schwabe”, wohnt seit 1970 in Berlin (West).

Herr Stuttmann, seit dem 18. Oktober 2009 läuft im Wilhelm-Busch-Museum in Hannover die Ausstellung “Klaus Stuttmann: Karikaturen aus der Hauptstadt”. Was genau ist dort zu sehen?

Eine Auswahl meiner Karikaturen seit 1989, chronologisch geordnet. Bis ’89 hatte ich hauptsächlich Sachen für die SEW gemacht. Mit dem Mauerfall war das vorbei und ich musste mich neu sortieren. Insofern ist das Jahr auch für mich persönlich ein Einschnitt, ich habe vorher anders gearbeitet als jetzt.

Sie haben vorher aber schon Karikaturen gezeichnet?

Ja, aber ich konnte davon nicht leben. Ich habe nur für Die Wahrheit, die Zeitung der SEW, gearbeitet und die haben kaum etwas zahlen können. Ich habe mich damals mit Plakaten und Layoutjobs über Wasser gehalten. Mit dem Mauerfall hat sich die ganze Szene, für die ich gearbeitet habe dann aufgelöst; die SEW war ja ein “West-Ableger” der SED und natürlich voll finanziert vom Osten. Als sich die SED auflöste hat sich hier auch alles aufgelöst und ich war arbeitslos.

Haben Sie sich dann gleich beim Tagesspiegel beworben?

Nein, zuerst bei der TAZ und kurz darauf bei der Leipziger Volkszeitung und bei der Jungen Welt. Bei der Leipziger und der Jungen Welt musste ich zum ersten Mal in meinem Leben täglich etwas abliefern. Damals dachte ich, das sei gar nicht zu schaffen.

Es hat mich überrascht zu erfahren, dass Sie ausschließlich digital arbeiten – ihre Arbeiten sehen sehr “handgezeichnet” aus.

Naja, digital heißt natürlich trotzdem “alles mit der Hand”. Ich zeichne ganz normal, nur eben auf einem Bildschirm anstatt auf Papier.

Wann sind Sie auf digitale Zeichnungen umgestiegen?

Ungefähr 2000. Vom Preisgeld, das ich bei der “Rückblende ’99″ bekommen habe, habe ich mir einen Apple und ein Zeichentablett gekauft und angefangen mich mit Photoshop zu beschäftigen.

Hat sich durch die neue Technik etwas daran geändert, wie Sie zeichnen?

Ich würde sagen, dass ich jetzt besser zeichne. Man hat nicht mehr so eine Angst, einen falschen Strich zu machen. Alles geht schneller, lockerer. Ich zeichne einfach lieber und ich glaube, das merkt man. Der Stil selbst hat sich allerdings nicht sehr verändert.

Sie zeichnen jetzt lieber… heißt das, dass sie früher nicht so gerne gezeichnet haben?

Doch, doch. Aber ich kann nicht besonders zeichnen. Früher konnte ich verzweifeln, wenn ich etwas nicht hingekriegt habe. Das passiert jetzt eben nicht mehr.

Zeichnen Sie überhaupt noch mit Tusche?

Nee. Ich kam da mit der Technik auch nicht zurecht. Die normalen Federn sind oft hängen geblieben oder nicht mehr gelaufen, dass ich mehrfach meinen Federhalter an die Wand geschmissen habe. Später habe ich teilweise mit technischen Zeichengeräten gearbeitet, aber die haben einen “toten Strich”. Heute zeichne ich alles in Photoshop. Wenn ich unterwegs bin und eine Idee habe mache ich eine erste Skizze mit Bleistift oder Kugelschreiber, aber nur damit ich die Idee behalte.

Mir ist aufgefallen, dass Sie auf Ihrer Website viel Feedback von Lesern bekommen.

Das verläuft in Wellen – manchmal kommt tagelang gar nichts und manchmal sehr viel. Mitunter nervt das schon, wenn z. B. Schüler das Gästebuch als Forum für irgendwelche anderen Themen nutzen und ich die Beiträge löschen muss. Während des Karikaturenstreits 2006 wurde ich stark von Islamisten angegriffen. Da kam alle zwei Minuten ein neuer Eintrag, teilweise kriminelles Zeug. Nach einer Woche haben wir die Seite geschlossen, weil es einfach nicht mehr ging. Wegen der Morddrohungen musste ich eine Zeit lang untertauchen, meine Wohnung verlassen.

Von solchen Extremsituationen abgesehen, beeinflussen die Kommentare Ihre Arbeit?

Eigentlich wenig. Die Anregungen, die kommen sind so unterschiedlich, da würde man sich zerreißen. Wenn die Einträge seriös sind denke ich natürlich darüber nach und versuche auch zurück zu schreiben.

Die Ausstellung im Wilhelm-Busch-Museum heißt ja “Karikaturen aus der Hauptstadt”; hat Berlin eine besondere Bedeutung für Sie als Karikaturist?

Abgesehen davon, dass ich hier wohne, könnte man vielleicht sagen, dass Berlin als Regierungssitz wichtig für meine Arbeit ist – mein Schwerpunkt ist ja eher die Innenpolitik. Das liegt allerdings auch ein bisschen am Tagesspiegel, der sich eher auf Innen- als auf Außenpolitik konzentriert. Ich muss für meine Karikaturen immer am Wissen der Leser anknüpfen, sonst funktionieren sie nicht. Man darf nicht alles in der Karikatur erklären. Bei Außenpolitikthemen, nehmen wir Südamerika, kennt sich doch kein Schwein aus – und dann kann eine Karikatur auch nicht funktionieren.

Ist nach der Wahl die Arbeit für Sie einfacher geworden? Sind CDU und FDP ein dankbareres Ziel für Karikaturen?

Eigentlich gibt es kaum Unterschiede. Karikaturen über die SPD zu zeichnen hat mir manchmal ein bisschen weh getan, aber das ist halt so. Bei schwarz-gelb tut mir gar nichts mehr weh – das ist vielleicht der kleine Unterschied.

Guido Westerwelle hat in den ersten Tagen nach der Wahl ja schon auf sich aufmerksam gemacht…

Eine Witzfigur war er ja irgendwie immer schon, aber vielleicht profiliert er sich ja noch. Angela Merkel hat man am Anfang auch nicht ernst genommen, genau wie Helmut Kohl.

Die Darstellung von Helmut Kohl hat sich ja im Laufe der Zeit auch verändert…

… Genau wie die von Frau Merkel in den letzten zehn Jahren. Als Karikaturist stellt man immer wieder fest, dass man am Anfang versucht, die Leute einigermaßen ähnlich zu zeichnen, damit man sie wiedererkennen kann. Gegen Ende der Laufbahn von solchen Politikern ist es immer umgekehrt. Da zeichnet man sie einfach und die Wirklichkeit hat sich den Zeichnungen angenähert (lacht). Das Extrembeispiel war Theo Waigel. Da hat man nur noch zwei Augenbrauen gezeichnet. Als er angefangen hat, hätte niemand verstanden, was das soll. Später haben die Leute ihn angeguckt und nur noch seine Augenbrauen gesehen.

Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben!

Paul Hellmich

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