Schwoe

Schwoe… – bürgerlich Matthias Schwoerer – lebt und arbeitet im südbadischen Badenweiler, gut zehn Kilometer von der französischen Grenze entfernt.

Matthias, du hast unter anderem als Käselieferant, Gymnasiallehrer, Regieassistent und Schauspieler gearbeitet bevor du Cartoonist und Illustrator wurdest. Warum so unterschiedliche Jobs?

Das ist so eine typische Formulierung aus vielen Künstlerbiografien. Sie soll zeigen, wie schließlich die göttliche Fügung den Künstler mit sicherem Griff aus der Masse von Käsefahrern, Gymnasiallehrern usw. herausgepickt und in sein Atelier gesetzt hat, in dem er dann die unsterblichen Meisterwerke machen konnte, die z.B. auf Toonpool zu sehen sind.

Wenn man’s banaler betrachtet, kann man auch sagen: Ich hab mir das Künstlersein erst mal nicht zugetraut und bin Beamter geworden. Ich war sehr gerne Lehrer, habe aber doch gedacht: ‘Das kann es doch nicht gewesen sein!’ Der nächste Schritt, Theater, war dann wenigstens noch eine Institution.

Wie kam es, dass du Schauspieler geworden bist ?

Theater war für mich schon von Kindheit an was Faszinierendes, erst Kasperle-Theater, dann Schultheater. Als ich dann mutig genug war, selbst ans Profitheater zu gehen, war ich erst Bühnenbildner, wollte dann aber in die Regie. Da fängt man als Assistent an und hat an den meisten Theatern auch Spielverpflichtung. Schauspieler war ich also nur in kleinen Nebenrollen.

Würdest du sagen, dass die Schauspielerei einen Einfluss auf deine Arbeit als Cartoonist hat?

Das Theater wurde aus einem Nebeneffekt heraus wichtig für mich als Cartoonist: Ich habe dort viele Schauspieler kennengelernt, die einfach großen Mut in der Selbstverwirklichung hatten, die aus Verträgen ausgebrochen sind, weil es ihnen nicht mehr gepasst hat, die neue Projekte mit völlig unsicherer Finanzierung in Angriff genommen haben und so weiter.

Irgendwann habe ich mir dann gesagt: ‘Warum bist du eigentlich so feige und versuchst nicht mal das wirklich professionell zu machen, was du immer schon kannst, nämlich zeichnen?’ Das lag mir dann auch sehr viel mehr, als die fanatische, intrigen-verseuchte Teamworkerei mit lauter Egomanen am Theater.

Dann, am Zeichentisch, hatte ich allerdings erst einmal die völlig verkehrte Vorstellung, man müsse nur zeichnen können, um es als Cartoonist zu was zu bringen. Man muss aber vor allem die Selbstvermarktung können und lieben. Und das ist leider bis heute nicht mein Ding.

Woran genau hast du gemerkt, dass Selbstvermarktung ein wesentlicher Teil des Berufs Cartoonist ist?

Ich lege ziemlich strenge Maßstäbe an meine eigenen Cartoons hinsichtlich Darstellung und Pointe an und sehe dann, was für ein Mist statt meiner Cartoons abgedruckt wird. Das kann dann ja nur an meinem Marketing liegen. Zugegeben: Ich

bin da echt faul, unfähig, inkonsequent, arrogant, selbstmitleidig, weltfremd und unprofessionell – habe ich etwas vergessen? Im Grunde würde ich mir einen Agenten wünschen, der vor allem. mich im Auge hat und sich nicht zu schade ist, mich immer und immer wieder in den Arsch zu treten.

Ich würde jedem, der was von Selbstvermarktung versteht, zuraten, Cartoonist zu werden. So schlecht kann niemand zeichnen, als dass er mit einem entsprechend programmierten Ego nicht doch veröffentlicht würde. Allerdings bringt man’s mit so einem Ego als Chefarzt oder bei der Bank oder in der Politik eventuell zu mehr Kohle. Und ich hab einen Konkurrenten weniger.

Deine Cartoons haben oft eine seltsame Perspektive, von der zumindest ich ein bisschen Nackenprobleme bekomme – wie wenn ich Claus Kleber angucke. Wie ist diese Perspektive entstanden?

Claus Kleber? Ist der so winzig?

Nee, aber er hat so eine seltsame Kombination aus einem asymmetrischen Gesicht und einer schiefen Haltung, dass ich es immer ein bisschen anstrengend finde, ihn anzugucken.

Ich finde jedenfalls, dass man auf meine Figuren und Räume immer eher von oben runter guckt. Das erleichtert mir die räumliche Staffelung der Gestalten. Außerdem mag ich es, wenn man bei den Köpfen möglichst beide Augen sieht. Das wirkt bei der Draufsicht am natürlichsten, bringt aber sonst auch eine netten Picasso-Effekt.

Deinen Cartoon mit der kotzenden Titanic finde ich großartig aber auch sehr seltsam. Wie kam der denn denn zustande?

Meine Bilder entstehen meist ziemlich vollständig im Kopf. Bei der Titanic fand ich interessant, den arglosen Kreuzfahrern mal zu zeigen, was unter der Wasserlinie wirklich vor sich geht. Kunst sollte ja immer zeigen, was dem normalen Auge verborgen ist.

Dass das Schiff selbst unter dem Seegang leidet, kam erst beim Zeichnen dazu. Aber auch viele Seeleute werden immer wieder seekrank, das Ausüben der immer gleichen Tätigkeit bringt einen eben nicht unbedingt weiter. Das gilt auch für Cartoonisten.

Ist es nicht ein bisschen widersprüchlich wenn du einerseits schreibst, dass deine Bilder vollständig im Kopf entstehen, die Leiden des Schiffes aber erst beim Zeichnen dazu kamen. Ist der Cartoon jetzt eine Ausnahme?

Ja, das ist eher die Ausnahme. Von anderen Zeichnern hört man immer mal: Ich fang einfach an zu kritzeln, und dann wird schon was draus. Das muss nicht schlecht sein, funktioniert bei mir aber nicht

Ich muss die Grundidee im Kopf entwickeln, dann kann natürlich beim Zeichnen noch der eine oder andere Schnörkel dazu wachsen. Die Texte mache ich oft erst später.

Stammen deine schwarz-weißen Cartoons und die farbigen aus unterschiedlichen Schaffensperioden oder hast du gewissermaßen zwei unterschiedliche Zeichenstile?

Zwei Stile? Das wäre ja nett! Vor allem viel besser zum Vermarkten! Inzwischen habe ich – glaube ich – fünf bis sechs Stile.

Erstens wären da Cartoons, die ich mit Tuschefeder zeichne, mit und ohne Aquarellfarbe. Dann benutze ich manchmal einen schmalen Filzer für die Konturzeichnung, und mache die Farbfüllung mit einem Bildbearbeitungsprogramm. In einer dritten Kategorie benutze ich einen Tuschepinsel für Konturzeichnung und Bildbearbeitung für die Farbfüllung. Bei diesen Cartoons sind die Themen immer etwas komplex und der Text ist nie im Bild sondern nur in der Unterschrift. Dann gibt es Cartoons, die ähnlich aufgebaut sind, aber rein schwarz-weiß. Ich habe für die Bilder aus den letzten beiden Kategorien die Schublade “Ebene 2″, weil sie halt ein bissel “abgehoben” sind.

Eine fünfte Variante zeichne ich mit Tuschepinsel und male sie mit dem Computer aus. Das sind aber typischere Cartoons, wo der Text oft im Bild steht. Eine Sonderform sind die Blätter, die ich “Cartoon-Stories” . Die tauchen immer mal wieder im Schweizer “Nebelspalter” auf und sind eine Art cartoonistischer Essay.

Ich finde es interessant, dass du deine Cartoons selbst in klar umgrenzte Kategorien steckst – nach Witztyp, Materialien & Aufteilung. Wie beeinflusst das deine Arbeit?

Ein großer Teil meiner Arbeit sind nicht Cartoons, sondern Illustrationen oder illustrierende Cartoons, die vom Stil her zum Auftraggeber passen müssen. Wenn ich dann frei arbeite, nehme ich mir tatsächlich vor, dass ich jetzt mal Ideen für einen meiner Stile “gebären” will.

Wenn ich mir ein Thema vornehme, geht das auch ganz gut. Es gehört für mich zur Professionalität, dass ich auch unter Zeitdruck Ideen zu allen möglichen Vorgaben entwickeln kann, eben auch zu Vorgaben, die ich mir selbst gebe.

Danke, dass du dir die Zeit genommen hast!

Paul Hellmich

© toonpool.com
 

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4 Responses to “Schwoe”

  1. Aurel says:

    Interessantes Interview und vieles darin kommt mir
    SEHR bekannt vor…

  2. Kerina says:

    Fantastic drawings! Really lovely work! :-) )

  3. Viele Aspekte, die ich auch aus meiner täglichen Zeichentischarbeit kenne.
    Danke fürs Interview.
    Sehr schöne, durchdachte und durchgearbeitete Cartoons!!

  4. Regina says:

    Hi Matthias,
    cooles Interview – und klasse, dass so viele Deiner Cartoons und Zeichnungen hier zu sehen sind!!
    Schöne Grüße, Regina

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