Lachen und Lernen

Das Verhältnis von Humor und Didaktik ist kompliziert. Erziehungswissenschaftler schwören darauf, dass sich Lerninhalte besser einprägen, wenn sie locker und spielerisch vermittelt werden. Tatsächlich erinnere ich mich, dass ich mich immer gefreut habe, wenn in Lehrfilmen Otto-Sketche eingebaut wurden oder irgendwo in den Tiefen meines Lehrbuches ein Cartoon auftauchte – und sei es eine Simplicissimus-Karikatur.

Andererseits ist Didaktik das genaue Gegenteil von allem, was an Witzen anarchisch und grotesk ist. Kaum etwas ist trauriger als ein erbaulicher und lehrreicher Cartoon. Ein ähnliches Problem gibt es in entgegengesetzter Richtung: eine zwanghaft witzige Aufbereitung kann einem jeden Spaß an den Inhalten verderben. Sollte man deswegen beide Felder lieber getrennt halten oder gibt es eine Art “Mittelweg”?

Im Lehrbuch-Verlag Pearson erscheint seit Anfang der 90er Jahre die Reihe “Macchiato”, in der Abiturwissen zu naturwissenschaftlichen Themen mit Hilfe von Cartoons vermittelt werden sollen. Für den letzten Band “Wirtschaft Macchiato” hat toonpool.com-Künstler Michael Holtschulte die Cartoons gezeichnet. Irmgard Wagner hat die “Macchiato”-Reihe initiiert, war an drei Büchern als Ko-Autorin beteiligt und war bei “Wirtschaft Macchiato” für das Lektorat verantwortlich. Ich habe ihr einige Fragen zum Entstehungsprozess der Bücher gestellt und versucht, mehr über ihren Umgang mit dem diffizilen Verhältnis von Cartoons und Lerninhalten zu erfahren.

Hallo Frau Wagner, wie lange dauert denn die Arbeit an einem “Macchiato-Buch”?

Die Autoren und Cartoonisten brauchen zwischen ein und zwei Jahren und dann noch mal einige Monate für die Produktion.

Wie hat man sich den Entstehungsprozess vorzustellen?

Die Zusammenarbeit startet, wenn der Autor ein paar Kapitel zusammen hat. In Gesprächen zwischen Autor, Illustrator und Lektorin versuchen wir aus dem ersten Manuskript etwas zu machen, was die Wissensvermittlung in Cartoons wiedergibt.

Es ist ein Prozess des Herunterbrechens von abstraktem Material auf Material, was anschaulich ist und zeichnerisch darstellbar ist. Dem liegt der Glaube zugrunde, dass genau dieser Prozess auch beim Lernen geleistet wird. Wir erleichtern den Lesern durch diese Vorarbeit das Lernen, weil wir ihnen schon die inhaltlichen, anschaulichen Brücken und bildlichen Vorstellungen liefern.

Der Autor liefert dann Folgeversionen der ersten Kapitel. Es geht meistens darum, mehr Grundlagen und um weniger abstrakten Stoff einzubringen. Viele Autoren – auch Herr Schiller …

der Autor von “Wirtschaft Macchiato” …

… werden in der Folge mehr und mehr kreativ. Wir halten dann für jedes Kapitel eine Telefonkonferenz.

Inwiefern werden die Autoren kreativer?

Am Anfang hat die Beziehung von Text und Bild gefehlt. Herr Schiller hat den Humor voll Herrn Holtschulte überlassen. Es brauchte etliche Telefonkonferenzen bis die ersten Kapitel fertig waren. Es wurde dann aber immer besser, viele Bilder wurden schon von Herrn Schiller konzipiert. Das letzte Kapitel hat er dann fast völlig allein entwickelt, inklusive Bildkonzeption und Zusatztext.

Gibt es parallel dazu auch eine Entwicklung bei den Zeichnern?

Die Cartoonisten haben natürlich mehr und mehr fachlich dazugelernt aber auch – und das ist wichtig – wie sie mit den jeweiligen Autoren kommunizieren müssen, damit sie ihre notwendigen Information für die Bilder bekommen.

Nach welchen Maßstäben wählen Sie die Cartoonisten aus?

Grundsätzlich wähle ich Cartoonisten aus, die bereits Erfolge haben und deren Cartoons den Autoren zusagen. Sie müssen ja gut zusammen arbeiten können.

Idealerweise sollte der Cartoonist in dem Wissensgebiet ein paar Vorkenntnisse oder ein Naheverhältnis zum Wissensgebiet haben. Herr Holtschulte hat zum Beispiel ein paar Semester Wirtschaft studiert. Thomas Müller, der Zeichner von Informatik Macchiato und Physik Macchiato ist Elektrotechniker. Für Klaus Müller, der für das Chemiebuch verantwortlich war Chemie das Lieblingsfach in der Schule.

Welche Rolle spielt der Humor des Cartoonisten, die Art Witze, die er schreibt? Sind einige Künstler mehr oder weniger für Lehrbücher geeignet?

Sie habe einen guten Punkt getroffen. Die Cartoonisten müssen natürlich über sprachliche Fähigkeiten verfügen. Sie sollen in der Lage sein, nicht nur eine witzige Zeichnungen zu machen, sondern auch sprachlich mit Humor die didaktische Pointe rüber zu bringen.

Es sollte eine doppelte Pointe sein: sie muss humorvoll sein und fachlich das Wesentliche rüber bringen. Manche Illustratoren haben auch mehrere Bücher gezeichnet. Es ist für sie auch eine Entwicklungsprozess, sich auf so etwas einzulassen.

Wie weit beschäftigen Sie sich außer in der Zusammenarbeit mit den jeweiligen Autoren der Macchiato-Reihe mit Cartoons?

Mein Interesse an Cartoons wurde durch die Arbeit an den Macchiato-Büchern geweckt, also 1992. Seither lese ich Cartoonbücher bewusster. Da mir die potentiellen Cartoonmitarbeiter immer einen Teil ihre Veröffentlichungen vorher zusenden, habe ich mittlerweile doch etliches gelesen.

Außerhalb dieser Arbeit beschäftige ich mich allerdings nicht mit Cartoons. Ich sehe meine Arbeit auch eher im inhaltlichen Bereich. Für die Cartoons haben die Künstler dann ihre Autorenfreiheit. Die Cartoons müssen nur inhaltlich stimmen. Für den Humor etc. sind die Künstler verantwortlich.

Im Vorwort von “Wirtschaft Macchiato” danken Ihnen die Autoren dafür, dass Sie “auf die Originalität der Cartoons geachtet haben”. Was ist damit gemeint?

Was die Autoren hier meinen, ist, dass ich darauf sehe, dass die Bilder humorvoll sind und dass in ihnen Wissen vermittelt wird. Kurz gesagt: Die Bilder sind die Essenz des Buches. Sie sollen helfen, dass das Wichtige gut und leicht eingeprägt wird und dass auch mancher Lacher dabei entsteht und die Lernarbeit durch Humor unterstützt.

Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben!

Paul Hellmich

Wir verlosen jeweils ein Exemplar von “Wirtschaft Macchiato”, “Mathe Macchiato”, “Mathe Macchiato Analysis”, “Physik Macchiato” und “Chemie Macchiato”. Einfach eine Email mit dem Betreff “Lachen und Lernen” und dem Titel des gewünschten Bandes an [email protected] schicken. Einsendeschluss ist der 15. Mai 2011, der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Lachen und Lernen

Das Verhältnis von Humor und Didaktik ist kompliziert. Erziehungswissenschaftler schwören darauf, dass sich Lerninhalte besser einprägen, wenn sie locker und spielerisch vermittelt werden. Tatsächlich erinnere ich mich, dass ich mich immer gefreut habe, wenn

in Lehrfilmen Otto-Sketche eingebaut wurden oder irgendwo in den Tiefen meines Lehrbuches ein Cartoon auftauchte – und sei es eine Simplicissimus-Karikatur.

Andererseits ist Didaktik das genaue Gegenteil von allem, was an Witzen anarchisch und grotesk ist. Kaum etwas ist trauriger als ein erbaulicher und lehrreicher Cartoon. Ein ähnliches Problem gibt es in entgegengesetzter Richtung: eine zwanghaft witzige Aufbereitung kann einem jeden Spaß an den Inhalten verderben. Sollte man deswegen beide Felder lieber getrennt halten oder gibt es eine Art “Mittelweg”?

Im Lehrbuch-Verlag Pearson erscheint seit Anfang der 90er Jahre die Reihe “Macchiato”, in der Abiturwissen zu naturwissenschaftlichen Themen mit Hilfe von Cartoons vermittelt werden sollen. Für den letzten Band “Physik Macchiato” hat toonpool.com-Künstler Michael Holtschulte die Cartoons gezeichnet. Irmgard Wagner hat die “Macchiato”-Reihe initiiert, war an drei Büchern als Ko-Autorin beteiligt und war bei “Physik Macchiato” für das Lektorat verantwortlich. Ich habe ihr einige Fragen zum Entstehungsprozess der Bücher gestellt und versucht, mehr über ihren Umgang mit dem diffizilen Verhältnis von Cartoons und Lerninhalten zu erfahren.

Hallo Frau Wagner, wie lange dauert denn die Arbeit an einem “Macchiato-Buch”?

Die Autoren und Cartoonisten brauchen zwischen ein und zwei Jahren und dann noch mal einige Monate für die Produktion.

Wie hat man sich den Entstehungsprozess vorzustellen?

Die Zusammenarbeit startet, wenn der Autor ein paar Kapitel zusammen hat. In Gesprächen zwischen Autor, Illustrator und Lektorin versuchen wir aus dem ersten Manuskript etwas zu machen, was die Wissensvermittlung in Cartoons wiedergibt.

Es ist ein Prozess des Herunterbrechens von abstraktem Material auf Material, was anschaulich ist und zeichnerisch darstellbar ist. Dem liegt der Glaube zugrunde, dass genau dieser Prozess auch beim Lernen geleistet wird. Wir erleichtern den Lesern durch diese Vorarbeit das Lernen, weil wir ihnen schon die inhaltlichen, anschaulichen Brücken und bildlichen Vorstellungen liefern.

Der Autor liefert dann Folgeversionen der ersten Kapitel. Es geht meistens darum, mehr Grundlagen und um weniger abstrakten Stoff einzubringen. Viele Autoren – auch Herr Schiller …

der Autor von “Wirtschaft Macchiato” …

… werden in der Folge mehr und mehr kreativ. Wir halten dann für jedes Kapitel eine Telefonkonferenz.

Inwiefern werden die Autoren kreativer?

Am Anfang hat die Beziehung von Text und Bild gefehlt. Herr Schiller hat den Humor voll Herrn Holtschulte überlassen. Es brauchte etliche Telefonkonferenzen bis die ersten Kapitel fertig waren. Es wurde dann aber immer besser, viele Bilder wurden schon von Herrn Schiller konzipiert. Das letzte Kapitel hat er dann fast völlig allein entwickelt, inklusive Bildkonzeption und Zusatztext.

Gibt es parallel dazu auch eine Entwicklung bei den Zeichnern?

Die Cartoonisten haben natürlich mehr und mehr fachlich dazugelernt aber auch – und das ist wichtig – wie sie mit den jeweiligen Autoren kommunizieren müssen, damit sie ihre notwendigen Information für die Bilder bekommen.

Nach welchen Maßstäben wählen Sie die Cartoonisten aus?

Grundsätzlich wähle ich Cartoonisten aus, die bereits Erfolge haben und deren Cartoons den Autoren zusagen. Sie müssen ja gut zusammen arbeiten können.

Idealerweise sollte der Cartoonist in dem Wissensgebiet ein paar Vorkenntnisse oder ein Naheverhältnis zum Wissensgebiet haben. Herr Holtschulte hat zum Beispiel ein paar Semester Wirtschaft studiert. Thomas Müller, der Zeichner von Informatik Macchiato und Physik Macchiato ist Elektrotechniker. Für Klaus Müller, der für das Chemiebuch verantwortlich war Chemie das Lieblingsfach in der Schule.

Welche Rolle spielt der Humor des Cartoonisten, die Art Witze, die er schreibt? Sind einige Künstler mehr oder weniger für Lehrbücher geeignet?

Sie habe einen guten Punkt getroffen. Die Cartoonisten müssen natürlich über sprachliche Fähigkeiten verfügen. Sie sollen in der Lage sein, nicht nur eine witzige Zeichnungen zu machen, sondern auch sprachlich mit Humor die didaktische Pointe rüber zu bringen.

Es sollte eine doppelte Pointe sein: sie muss humorvoll sein und fachlich das Wesentliche rüber bringen. Manche Illustratoren haben auch mehrere Bücher gezeichnet. Es ist für sie auch eine Entwicklungsprozess, sich auf so etwas einzulassen.

Wie weit beschäftigen Sie sich außer in der Zusammenarbeit mit den jeweiligen Autoren der Macchiato-Reihe mit Cartoons?

Mein Interesse an Cartoons wurde durch die Arbeit an den Büchern geweckt (also 1992). Seither lese ich Cartoonbücher bewusster. Da mir die potentiellen Cartoonmitarbeiter immer einen Teil ihre Veröffentlichungen vorher zusenden, habe ich mittlerweile doch etliches gelesen. Aber außerhalb dieser Arbeit beschäftige ich mich nicht mit Cartoons. Ich sehe meine Arbeit auch eher im inhaltlichen Bereich. Für die Cartoons haben die Künstler dann ihre Autorenfreiheit. Die Cartoons müssen nur inhaltlich stimmen. Für den Humor etc. sind die Künstler verantwortlich.

Im Vorwort von “Wirtschaft Macchiato” danken Ihnen die Autoren dafür, dass Sie “auf die Originalität der Cartoons geachtet haben”. Was ist damit gemeint?

Was die Autoren hier meinen, ist, dass ich darauf sehe, dass die Bilder humorvoll sind und dass in ihnen Wissen vermittelt wird. Kurz gesagt: Die Bilder sind die Essenz des Buches. Sie sollen helfen, dass das Wichtige gut und leicht eingeprägt wird und dass auch mancher Lacher dabei entsteht und die Lernarbeit durch Humor unterstützt.

Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben!

Paul Hellmich


Wir verlosen jeweils ein Exemplar von “Wirtschaft Macchiato”, “Mathe Macchiato”, “Mathe Macchiato Analysis”, “Physik Macchiato” und “Chemie Macchiato”. Einfach eine Email mit dem Betreff “Lachen und Lernen” und dem Titel des gewünschten Bandes an [email protected] schicken. Einsendeschluss ist der 15. Mai 2011, der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

© toonpool.com
 

Tags: , , ,

Leave a Reply

More Posts


2012
Book Store Portrait Competition

Portrait Competition

October 29th, 2012
2012
Jakob Hinrichs adaptiert Arthur Schnitzlers Traumnovelle von 1926 erstmals als Graphic Novel und erzählt sie in tiefgreifenden, fantastischen Bildern neu.

“Traumnovelle” – Graphic Novel

October 14th, 2012
Letter from
amman

Letter from Amman (Jordan)

October 4th, 2012
2012
zillion

Letter from California

August 15th, 2012