Nebenjobs

Jan Tomaschoff war lange Karikaturist bei der Welt. Zeichnen ist allerdings nur sein Nebenberuf: Unter der Woche arbeitet Tomaschoff als Neurologe, Psychiater und Psychotherapeut in Düsseldorf. Neben seiner Arbeit für Tageszeitungen und Magazine, zeichnet er auch regelmäßig Cartoons über Ärzte für den Medical Tribune.

Jan, wie bist du eigentlich zum Zeichnen gekommen?

Wahrscheinlich wie die meisten anderen Cartoonisten auch: Ich habe als Kind gezeichnet und fand Comics gut – wobei es die in der Tschechoslowakei kaum gab. Dort habe ich gelebt, bis ich 15 war. Ende der 60er Jahre sind meine Eltern dann nach Westdeutschland gegangen.

In Deutschland habe ich Abitur gemacht. Dann habe ich durchgesetzt, dass ich an der Kunstakademie Düsseldorf studieren durfte. Ich bin aber nur ein Semester geblieben und war danach völlig frustriert.

Warum?

Damals war in der Kunstszene alles im Umbruch. Joseph Beuys hat in Düsseldorf unterrichtet und wer Bilder malte galt als völlig veralteter Idiot. Man stellte einen Gegenstand in die Ecke, mache eine Aktion darum und filmte das eventuell noch.

Ich war mir auch nicht darüber im Klaren, dass man als Künstler ein bisschen Ellenbogen braucht und sich verkaufen muss. Ich habe gedacht: “Ich bin jetzt ein guter Schüler, lerne etwas und wenn ich es gut mache, bin ich erfolgreich. Das ist in der Kunstszene natürlich völlig blöd.

Dann haben mir meine Eltern zugeredet – nach dem Motto ‘Mach doch was Vernünftiges, von dem man leben kann.’ Ich habe dann Medizin studiert, meine Mutter war auch Ärztin. Richtig gepackt hat mich aber erst die Psychiatrie. Das war auch etwas Künstlerisches.

Gezeichnet hast du dann nicht mehr?

Doch, schon. Ich habe immer Ideen gesammelt und dann am Wochenende gezeichnet. Irgendwann in den 70ern habe ich angefangen, Karikaturen an Zeitungen zu schicken. Das Deutsche Allgemeine Sonntagsblatt hat dann auch tatsächlich ein paar Sachen von mir abgedruckt. Das Honorar waren damals 40 Mark.

Wann hast du angefangen, tagesaktuelle Cartoons zu zeichnen?

Hier in Düsseldorf erscheint die Rheinische Post, die habe ich auch angeschrieben. Deren Karikaturist war ein älterer Herr, der es nett fand, dass ich als junger Medizinstudent zeichne . Eines Tages ist er in die Ferien gefahren und hat mich gefragt, ob ich nicht mal für vier Wochen in die Redaktion kommen will und versuchen will, Karikaturen zum Tagesgeschehen zu zeichnen. Da war ich vielleicht 25.

Ich saß also morgens in der Redaktionskonferenz, habe Themen vorgeschlagen und hatte dann bis zwei Uhr Zeit, etwas zu zeichnen. Die haben mir unglaublich in die Cartoons reingeredet. Das war schon anstrengend, aber ich war schon stolz, jeden Morgen die Zeitung aufzuschlagen und meine eigene Zeichnung zu sehen.

Danach habe ich aber jahrelang nichts mehr zu Tagespolitik gemacht, bis vor etwa zehn Jahren die Welt bei mir anfragte.

Sind die Karikaturen für dich finanziell wichtig?

Naja, ich bin Arzt. Man hat ja – was immer man jammert – auf diesem Gebiet ein Einkommen und ich muss auch keine Angst haben, dass ich in den nächsten Jahren keine Stelle mehr finde.

Das Einkommen als Zeichner war eher ein schönes Beiwerk, von dem ich zum Beispiel mal einen Urlaub finanzieren konnte.

Wie viel Zeit verbringst du am Tag mit Cartoons?

Früher waren das ungefähr ein bis zwei Stunden. Zur Zeit mache ich nicht so viel – ich sitze vielleicht am Wochenende drei bis vier Stunden daran. Mittwochs habe ich mittags frei, da mache ich dann manchmal auch noch etwas.

Wie viele Karikaturen entstehen in den zwei Stunden?

Das ist ein bisschen peinlich… Wenn die Idee da ist, geht das relativ schnell. Künstlerisch gesehen ist das natürlich sehr dahingerotzt.

Zeit zum Überlegen, Nachdenken, Ändern nehme ich mir höchstens hin und wieder, wenn ich etwas mit Farbe mache. In der Woche kommen so etwa zehn allgemeine Cartoons zusammen und vier bis fünf medizinische. Also drei bis vier Cartoons in einer Zwei-Stunden-Session.

Du sagst, deine Cartoons seien “hingerotzt”.. das klingt ja sehr negativ. Stört es dich, dass du keine Zeit für Korrekturen hast?

Nein, eigentlich nicht. Von Zeit zu Zeit kommt es allerdings vor, dass Verlage alte Zeichnungen von mir veröffentlichen wollen, die mir gar nicht mehr gefallen – zeichnerisch oder von der Aufteilung her. Es kommt dann schon vor, dass ich mich selber kopiere.

Wie archivierst du denn deine Cartoons?

Ganz altertümlich in Kartons. Als meine Kinder noch klein waren konnten sie sich damit ein Taschengeld verdienen. Der Auftrag lautete dann in etwa: “Im Karton von 1998 ist eine Zeichnung mit einem Mann auf einem Motorrad. Wenn du die findest, kriegst du zehn Euro.

Zeichnest du eigentlich digital?

Ich arbeite sehr konservativ mit Stiften, Wasserfarbe und Wachsmalern. Am Computer speichere ich die Cartoons eigentlich nur und verschicke sie – höchstens mache ich ein Bild mal heller oder dunkler.

Hier in Düsseldorf gibt es einen Cartoonisten-Stammtisch und die lachen mich alle dafür aus, dass ich der einzige bin, der noch Letraset Rasterfolien sammelt. Die gibt es, glaube ich, gar nicht mehr in Geschäften zu kaufen. Ich habe noch einen Vorrat, den ich mir immer kopiere und dann schneide und klebe. Das liegt wohl daran, dass ich noch aus der ‘Generation Bleistift’ bin.

Ich hatte vor einiger Zeit mal ein Interview mit Klaus Stuttmann vom Tagesspiegel geführt. Der ist ja ungefähr dein Jahrgang und zeichnet inzwischen alles digital…

Richtig. Wir trafen uns mal mit ein paar anderen Zeichnern in Würzburg und er hatte sein Zeichentablett dabei, das er ganz stolz vorgeführt hat. Ich hab es aber nicht ausprobiert. Irgendwie reizt mich das nicht.

Wenn du mit deiner Praxis aufhörst, wirst du dann noch weiterzeichnen?

Ja, ich würde das gerne ausweiten. Es kommt aber natürlich auch darauf an, ob ich Abnehmer finde. Ich habe das Gefühl, dass sich im Moment sehr Viele zum Zeichnen berufen fühlen, dass aber weniger gebraucht wird.

Was planst du für die Zeit als quasi-hauptberuflicher Zeichner?

Ich hatte mal überlegt eine Serie mit wiederkehrenden Figuren zu zeichnen. Aber mir ist nichts richtiges eingefallen. Zum Beispiel habe ich mir eine Familie ausgedacht, die beim Abendessend das Tagesgeschehen kommentiert. Das war dann aber total langweilig ,weil in dem Bild nichts passiert. Dann hatte ich überlegt, etwas mit Tieren zu machen. Katzen, Hunde, Enten. Das gab es aber schon alles. Ich kam einfach nicht weiter.

Möglicherweise lag es daran, dass ich nicht die gleiche Ruhe habe, wie jemand, der das hauptberuflich macht. Vielleicht wird mir dann als Rentner diese Gnade zuteil, dass mir Comicfiguren einfallen.

Danke, dass du dir die Zeit genommen hast!

Paul Hellmich

Kartons und Rasterfolien

Jan Tomaschoff hat lange Jahre für die Welt gezeichnet. Karikaturist ist allerdings nur sein Nebenberuf – unter der Woche arbeitet Tomaschoff als Neurologe, Psychiater und Psychotherapeut in Düsseldorf. Neben seiner Arbeit für Tageszeitungen und Magazine, zeichnet er auch regelmäßig Cartoons über Ärzte für den Medical Tribune.

Jan, wie bist du eigentlich zum Zeichnen gekommen?

Wahrscheinlich wie die meisten anderen Cartoonisten auch: Ich habe als Kind gezeichnet und fand Comics gut – wobei es die in der Tschechoslowakei kaum gab. Dort habe ich gelebt, bis ich 15 war. Ende der 60er Jahre sind meine Eltern dann nach Westdeutschland gegangen.

In Deutschland habe ich Abitur gemacht. Dann habe ich durchgesetzt, dass ich an der Kunstakademie Düsseldorf studieren durfte. Ich bin aber nur ein Semester geblieben und war danach völlig frustriert.

Warum?

Damals war in der Kunstszene alles im Umbruch. Joseph Beuys hat in Düsseldorf unterrichtet und wer Bilder malte galt als völlig veralteter Idiot. Man stellte einen Gegenstand in die Ecke, mache eine Aktion darum und filmte das eventuell noch.

Ich war mir auch nicht darüber im Klaren, dass man als Künstler ein bisschen Ellenbogen braucht und sich verkaufen muss. Ich habe gedacht: “Ich bin jetzt ein guter Schüler, lerne etwas und wenn ich es gut mache, bin ich erfolgreich. Das ist in der Kunstszene natürlich völlig blöd.

Dann haben mir meine Eltern zugeredet – nach dem Motto ‘Mach doch was Vernünftiges, von dem man leben kann.’ Ich habe dann Medizin studiert, meine Mutter war auch Ärztin.

Richtig gepackt hat mich aber erst die Psychiatrie. Das war auch etwas Künstlerisches.

Gezeichnet hast du dann nicht mehr?

Doch, schon. Ich habe immer Ideen gesammelt und dann am Wochenende gezeichnet. Irgendwann in den 70ern habe ich angefangen, Karikaturen an Zeitungen zu schicken. Das Deutsche Allgemeine Sonntagsblatt hat dann auch tatsächlich ein paar Sachen von mir abgedruckt. Das Honorar war damals 40 DM.

Wann hast du angefangen, tagesaktuelle Cartoons zu zeichnen?

Hier in Düsseldorf erscheint die Rheinische Post, die habe ich auch angeschrieben. Deren Karikaturist war ein älterer Herr, der es nett fand, dass ich als junger Medizinstudent zeichne . Eines Tages ist er in die Ferien gefahren und hat mich gefragt, ob ich nicht mal für vier Wochen in die Redaktion kommen will und versuchen will, Karikaturen zum Tagesgeschehen zu zeichnen. Da war ich vielleicht 25.

Ich saß also morgens in der Redaktionskonferenz, habe Themen vorgeschlagen und hatte dann bis zwei Uhr Zeit, etwas zu zeichnen. Die haben mir unglaublich in die Cartoons reingeredet. Das war schon anstrengend, aber ich war schon stolz, jeden Morgen die Zeitung aufzuschlagen und meine eigene Zeichnung zu sehen.

Danach habe ich aber jahrelang nichts mehr zu Tagespolitik gemacht, bis vor etwa zehn Jahren die WELT bei mir anfragte.

Sind die Karikaturen für dich finanziell wichtig?

Naja, ich bin Arzt. Man hat ja – was immer man jammert – auf diesem Gebiet ein Einkommen und ich muss auch keine Angst haben, dass ich in den nächsten Jahren keine Stelle mehr finde.

Das Einkommen als Zeichner war eher ein schönes Beiwerk, von dem ich zum Beispiel mal einen Urlaub finanzieren konnte.

Wie viel Zeit verbringst du am Tag mit Cartoons?

Früher waren das ungefähr ein- bis zwei Stunden am Tag. Zur Zeit mache ich nicht so viel – ich sitze vielleicht am Wochenende drei bis vier Stunden daran. Mittwochs habe ich mittags frei, da mache ich dann manchmal auch noch etwas.

Wie viele Karikaturen entstehen in den zwei Stunden?

Das ist ein bisschen peinlich… Wenn die Idee da ist, geht das relativ schnell. Künstlerisch gesehen ist das natürlich sehr dahingerotzt.

Zeit zum Überlegen, Nachdenken, Ändern nehme ich mir höchstens hin und wieder, wenn ich etwas mit Farbe mache. In der Woche kommen so etwa zehn allgemeine Cartoons zusammen und vier bis fünf medizinische. Also drei bis vier Cartoons in einer Zwei-Stunden-Session.

Du sagst, deine Cartoons seien “hingerotzt”.. das klingt ja sehr negativ. Stört es dich, dass du keine Zeit für Korrekturen hast?

Nein, eigentlich nicht. Von Zeit zu Zeit kommt es allerdings vor, dass Verlage alte Zeichnungen von mir veröffentlichen wollen, die mir gar nicht mehr gefallen – zeichnerisch oder von der Aufteilung her. Dann kommt das schon vor, dass ich mich dann selber kopiere.

Wie archivierst du denn deine Cartoons?

Ganz altertümlich in Kartons. Als meine Kinder noch klein waren konnten sie sich damit ein Taschengeld verdienen. Der Auftrag lautete dann in etwa: “Im Karton von 1998 ist eine Zeichnung mit einem Mann auf einem Motorrad. Wenn du die findest, kriegst du zehn Euro.

Zeichnest du eigentlich digital?

Ich arbeite sehr konservativ mit Stiften, Wasserfarbe und Wachsmalern. Am Computer speichere ich die Cartoons eigentlich nur und verschicke sie – höchstens mache ich ein Bild mal heller oder dunkler.

Hier in Düsseldorf gibt es einen Cartoonisten-Stammtisch und die lachen mich alle dafür aus, dass ich der einzige bin, der noch Letraset Rasterfolien sammelt. Die gibt es, glaube ich, gar nicht mehr in Geschäften zu kaufen. Ich habe noch einen Vorrat, den ich mir immer kopiere und dann schneide und klebe. Das liegt wohl daran, dass ich noch aus der ‘Generation Bleistift’ bin.

Ich hatte vor einiger Zeit mal ein Interview mit Klaus Stuttmann vom Tagesspiegel geführt. Der ist ja ungefähr dein Jahrgang und zeichnet inzwischen alles digital…

Richtig. Wir trafen uns mal mit ein paar anderen Zeichnern in Würzburg und er hatte sein Zeichentablett dabei, das er ganz stolz vorgeführt hat. Ich hab es aber nicht ausprobiert. Irgendwie reizt mich das nicht.

Wenn du mit deiner Praxis aufhörst, wirst du dann noch weiterzeichnen?

Ja, ich würde das gerne ausweiten. Es kommt aber natürlich auch darauf an, ob ich Abnehmer finde. Ich habe das Gefühl, dass sich im Moment sehr Viele zum Zeichnen berufen fühlen, dass aber weniger gebraucht wird.

Was versprichst du dir von der Zeit als quasi-hauptberuflicher Zeichner?

Ich hatte mal überlegt eine Serie mit wiederkehrenden Figuren zu zeichnen. Aber mir ist nichts richtiges eingefallen. Zum Beispiel habe ich mir eine Familie ausgedacht, die beim Abendessend das Alltagsgeschehen kommentiert. Das war dann aber total langweilig ,weil in dem Bild nichts passiert. Dann hatte ich überlegt, etwas mit Tieren zu machen. Katzen, Hunde, Enten. Das gab es aber schon alles. Ich kam einfach nicht weiter.

Möglicherweise lag es daran, dass ich nicht die gleiche Ruhe habe, wie jemand, der das hauptberuflich macht. Vielleicht wird mir dann als Rentner diese Gnade zuteil, dass mir Comicfiguren einfallen.

Danke, dass du dir die Zeit genommen hast!

Paul Hellmich

© toonpool.com
 

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4 Responses to “Nebenjobs”

  1. Max says:

    Tolles Interview! Ich finde es gar nicht peinlich, wie die Cartoons entstehen. Der eine formuliert seine Idee in einem Satz, der andere setzt sie in 4 Stunden in einem Cartoon um, und Jan wählt eben den Mittelweg. Und der Hauptberuf ist vielleicht eine wertvolle Kreativpause für die Zeit am Zeichenbrett.
    Weiter so! (sowohl Jan als auch Paul)

    gruß
    ~max

  2. Aurel says:

    Ich finde, dass die Tomaschoff-Cartoons schon Klassiker sind.
    Hatte immer gedacht, dass Jan das hauptberuflich macht…

  3. mistaorange says:

    schönes interview…tolle leistung…ehrlich.
    nur ich fänd es auch mal interessant einen künstler zu erleben
    der nicht studiert hat und sich wirklich WIRKLICH
    selbst hocharbeiten musste….

  4. Paul says:

    @mistaorange:
    Hmm.. ein halbes Jahr Kunstschule ist nicht besonders lang. Mal davon abgesehen, dass man sich auch als Kunstschüler “selbst hocharbeiten muss”.

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